SÜDSEE

Rechts Männcrclub-Haus von den Palau-Inseln. Links Vorne Kulthaus der Abelam aus Papua-Neuguinea. Ethnologisches Museum Berlin.  Der Baum auf dem Giebel ist der mythische, Fische spendende Brotfruchtbaum, also ein Bild der nahrungspendenden 'Mutter Natur'. Die Frau mit den gespreizten Beinen und dem betonen Schamdreieck ist eine 'armongol', ein Mädchen, das, offensichtlich als Vertreterin der 'Mutter Natur', die Männer in ihrem Clubhaus besuchen, sie versorgen und mit ihnen bezahlten sexuellen Umgang pflegen darf. Eine ehrenvolle Aufgabe! Aber sonst war Frauen das Betreten des Clubhauses der herrschenden Männer verboten!

Nach der Südsee sehnten sich seit ihrer Erforschung im 17. und 18. Jahrhundert (Abel Tasman, James Cook) Menschen, die der Zivilisation der Industrieländer überdrüssig waren, v.a. im 19. und frühen 20. Jahrhundert, wo dort auch 'Aussteiger' wie der Maler Paul Gauguin lebten, die das Land der Hoffnungen noch bekannter machten... (siehe folgendes Bild; Kommentar? Maus drüber!). Die Südseeabteilung nun erlaubt uns einen Besuch im Reich des Fernwehs...!

Die Welt der Südsee, romantisch, verträumt, sinnlich... - so stellt sie Paul Gauguin  (1848 - 1903) in seinen Gemälden dar, die Ozeanien in der "westlichen Welt" maßgeblich bekannt gemacht haben.

"Südsee" oder auch Ozeanien umfasst das gigantische Gebiet zwischen Neuseeland, Australien, Neuguinea, Indonesien bis zu den Küsten Amerikas (Megagroße Land- und See-Karte?! Hier klicken!). Hier liegen die Inselwelten Polynesiens, Melanesiens und Mikronesiens. Exotisch und reizvoll kingende Namen haben die Orte, aus denen die Ausstellungsobjekte stammen: Hawaii, Tahiti, Palau, Tonga, Karolinen, Marianen, Samoa, Nukuoro, Vanuatu, Bougainville, Oster-Insel, Salomo-Inseln, Marshall-Inseln, Neuirland, Neubritannien, Bismarck-Archipel, Inseln in der Torres-Straße... Dort leben sie, die Maori (Neuseeland bzw. Polynesien), die Papua (Neuguinea), die Aboriginees (Australien) und wie sie alle heißen...

Hier finden wir (wie in Nord- und Südamerika) Menschen, die zugleich auf verschiedenen Kulturstufen lebten (früher... Die alles einebnende Industriezivilisation hat dies weitgehend beseitigt, und aus den Ureinwohnern zum großen Teil 'moderne' Proletarier mit Alkohol- und Gewaltproblemen gemacht, wo sie diese nicht ausgerottet hat [Tasmanier]...): die elementarste Jäger-und-Sammler-Kultur in Australien (Tasmanier, Aboriginees, die Pfeil und Bogen nocht nicht kennen), frühneolithische Hackbauern in Neuguinea (Papua), fortgeschrittene Hackbauern mit hochseetüchtigen Schiffen (Maori) bis hin zu Megalithikern der Oster-Inseln, die schon riesige Steinmonumente errichteten. Eine metallzeitliche Kulturstufe wird jedoch nirgendwo erreicht.

Hier nun wieder einige Bilder als Anregung zu einem Besuch! Eingangs sehen wir ein sog.s Männerclub-Haus von den Palau-Inseln. Charakteristisch für die Hackbauern-Kulturen ist die Bildung sog.r Männerbünde, von denen die Frauen ausgeschlossen sind - außer sie kommen als Dienstkräfte und Prostituierte, wie im obigen Clubhaus, wobei allerdings, wie häufig in frühen Zivilisationen solche promiske Sexualität nichts Anrüchiges ist, oft sogar das Gegenteil, wie hier auch: die Frauen bringen stolz das verdiente Geld in ihren Clan zurück. In den Mythen finden häufig Geschichten, die erzählen wie die - inzwischen gesellschaftlich dominanten - Männer von den Frauen die wichtigen kulturellen Geheimnisse gestohlen haben... Wir sind hier deutlich vom "Matriarchat" zum "Patriarchat" übergegangen: Männer wollen Gesellschaft und 'Mutter Natur' beherrschen!

Seetüchtiges Auslegerboot der Jaluit von den Marshall-Inseln. Ethnologisches Museum Berlin

Die schier endlosen Wasserwüsten des Pazifik durchsegeln diese Steinzeitvölker mit seetüchtigen Bootskonstruktionen, die aus Holz und Pflanzenfasern kunstvoll gezimmert sind und deren Segel gestatten, auch gegen den Wind, also "hart am Wind" zu segeln. Man hatte Auslegerboote, wie hier abgebildet, oder Zweirumpfschiffe, sog.e Katamarane. In Dahlem kann man Nachbauten sehen, die mensch auch besteigen darf! Hier läßt sich nacherleben, wie sich so ein kühner Steinzeit-Kapitän zur See gefühlt haben mag!

Maske der Simbang aus Neuguinea. Ethnologisches Museum Berlin. In den Ritualen dieser Clan-Gesellschaften, die meist mit Tanz und dem Ahnenkult bzw. dem Totemismus verbunden waren, wurden solche Masken von Männern getragen, die die Moral der 'Alten' repräsentierten. Der Totemismus ist eine Gesellschafts- und Religionsform, in der die Clans, d.h. Großfamilien, sich von mythischen Ahnen, dem Totem, ableiten, die meist Naturwesen sind, Tiere oder Pflanzen. Oft hat ein solcher Clan die Aufgabe, sein Totem besonders zu schützen. Ökologische Verantwortung war hier in die Weltanschauung der Menschen fest eingebaut!

In den Ritualen dieser Clan-Gesellschaften, die meist mit Tanz und dem Ahnenkult bzw. dem Totemismus verbunden waren, traten phantastische Masken auf, d.h. die Männer der Geheimbünde stellten Ahnengeister dar, die der Moral der Menschen Nachdruck verschafften. Frauen und Kinder durften hier nicht hinter die Kulissen schauen! Wir sehen oben eine Maske aus Papua-Neuguinea.

Trauergewand aus Tahiti. Ethnologisches Museum Berlin.

Und hier ein Trauergewand aus Tahiti. Bast, Muscheln, Holz, Federn, Nussschalen und dergleichen waren die Werkstoffe für solche Kunstwerke!

Malanggan-Figur, Neuirland. Ethnologisches Museum Berlin.

Und hier nun eine sog.e Malanggan-Figur aus Neuirland, die man zur Erinnerung an einen verehrten Toten anfertigte, aber in der Regel nach jedem Erinnerungsfest wieder zerstörte - wollte man doch damit die Lebenskraft des Toten darstellen, und das eben war in den Augen dieser in ihrer Bescheidenheit weisen Natur-Völker nichts Unvergängliches (wie in späteren Weltanschauungen die vermeintlich "unvergängliche Seele"), sondern allenfalls etwas zyklisch Wiederkehrendes.

Uli-Figur, Neuirland. Ethnologisches Museum Dahlem. Doppelgeschlechtliches Fruchtbarkeitsidol.

Wem fällt auf, was an der vorstehenden "Uli"-Figur aus Neuirland etwas 'strange' ist?? Richtig! Sie hat beides: Brüste & Penis! Tja, wer hat, der hat... Im Ernst: Ein Wesen, das beide Geschlechter in sich vereint, das den Unterschied zwischen Wunsch und Erfüllung überwunden hat, das das 'Objekt des Begehrens', den gegengeschlechtlichen Partner, schon in sich trägt, das ist göttlich, denn ihm ist Wunsch Realität! Also, wir sehen, für diese noch naturnahen Völker, die keine 'Butterberge' und vollen Tiefkühltruhen hatten, war die Fruchtbarkeit des Lebendigen überlebenswichtig, verehrenswürdig, heilig! Denn wenn diese Fruchtbarkeit einmal ausblieb, war der Tod nicht weit!

Aber dennoch: mann will auf dieser Kulturstufe verstärkt schon die Natur beherrschen. Deshalb läßt man seinen Körper auch nicht einfach so, wie er ist, sondern macht aus ihm etwas Künstliches, ein Produkt der Zivilisation: von daher nicht nur all der üppige Trachten-Schmuck bei diesen Menschen, sondern auch die Körperbemalung und die Tatauierung (oder auch Tätowierung; das Wort kommt von tahitisch "zeichnen"): Tatauierung im engen Sinn ist die Einimpfung von Farbe unter die Haut. Die frühen Menschen kennen aber auch Körperzeichnungen mit Schmucknarben. Bei den Südsee-Völkern zeigen die Tätowierungen eines Mannes, die über die Jahre seinen Körper mehr und mehr bedecken, wie er als Mitglied der gesellschaftlichen 'Körperschaft' nach oben steigt. Die vorstehende Uli-Figur scheint alles dies zu zeigen: Tracht, Körperbemalung, Tatauierung.
   In diesen Zusammenhang gehören übrigens noch andere, weit gewaltsamere Körperveränderungen: Schädeldeformationen, das Ausschlagen oder Zufeilen von Zähnen, das Abhacken von Fingern, ja sogar das Aufschneiden des Penis... Man sieht: der Sieg über die Natur ist schmerzvoll erkauft!

Bilder von den verblüffenden Rüstungen und messerscharfen Waffen der schreckenerregenden Krieger dieser Völker habe ich hier (noch) nicht zu bieten; aber im Museum kann man sie reichlich bestaunen. Also: hingehen ins Museum! Viel Spaß!