NORDAMERIKA

Die Kulturareale Nordamerikas

Zur Einführung in die Kultur der nordamerikanischen Indianer, insbesondere der Irokesen, bieten wir (bis auf Weiteres kostenlos) eine Bilderserie im Shockwave-Format an, die man/frau sich hier downloaden kann (ähnlich einer PowerPoint-Präsentation).

Die Nordamerika-Sammlung beherbergt nun das, was der junge Mensch üblicherweise unter "INDIANER!" versteht, nämlich die, gegen die die "Cowboys" geritten sind, wo der "Wilde Westen" war und so... Nicht schrecklich viel erfährt man in all den "Western" und "Indianer-Stories" darüber, wie diese Indianer nun wirklich gelebt haben. Nun, da bringt ein Besuch im Ethnologischen Museum Abhilfe, wo man auch gleich die vielen "Indianer-Klisches" ethnologisch reflektiert findet.

Die Nordamerika-Sammlung hat einen eigenen Link auf der Website der Staatlichen Museen Berlin, ja sogar eine eigene Homepage. Dort findet man auch die unten wiedergegebene Karte (aber interaktiv mit zusätzlichen Bild-Infos!), die zeigt, welche Indianer-Kulturen, angesichts des knappen Ausstellungsraumes, aus den oben vollständig gezeigten Kulturarealen ausgewählt wurden.

Im Ethnologischen Museum Berlin ausgestellte Kulturareale Nordamerikas. Auf das Bild klicken, um die interaktive Karte auf der Homepage der Ausstellung zu sehen. Es werden typische Kulturgüter gezeigt!

Die ausgewählten Kulturareale sind:

die Arktis
die Nordwestküste
Kalifornien
die Plains und die Prärien
der Südwesten

Auf ein Minimum reduziert wurden die Bereiche der sog.n Waldland-Kulturen (östliches und südöstliches Waldland, rechts auf der Karte) und das Areal des Großen Beckens sowie des Plateaus (links).

Wir gehen im Folgenden die Kulturareale in der Reihenfolge durch, in der die für sie typischen Kulturformen in der sukzessiven Menschheitsentwicklung vorkommen.
   Eine heikle Frage, die wir hier nur anreißen können, ist, ob man die früheren Kulturstufen als "primitivere" sieht, oder ab man in ihnen stabile, umweltverträgliche Anpassungsformen an bestimmte natürliche Lebensräume sieht. Jede Sichtweise scheint hier ein Stück der Wahrheit zu erfassen.

In der Arktis haben wir die Eskimo (d.h. in der Indianersprache Algonkin "Rohfleischesser"). Die Kultur der Inuit - der "Menschen", wie sie sich selber schlicht nennen - ist eine über die Jahrtausende raffinierte Form des Lebens der eiszeitlichen, jungpaläolithischen Nomaden-Jäger, also ein Fortdauern der Steinzeit. Metalle sind ursprünglich unbekannt und erst durch den Kontakt mit metallverarbeitenden Kulturen eingehandelt worden; gleiches gilt natürlich für die heute gebräuchlichen Feuerwaffen und andere Versatzstücke aus den Industriekulturen.

Eskimo-Anorak, Ethnologisches Museum Berlin. Diese aus Fischhaut wasserdicht gefügten Regenmäntel konnten mit den Jagdkajaks zu wasserdichten Einheiten verbunden werden, so dass es möglich war, zu kentern, ohne gleich unterzugehen. Obwohl die Eskimo insgesamt die Lebensweise der eis- und steinzeitlichen Jäger fortsetzten, waren bei ihren Vorläufern derartige Verfeinerungen der typischen Technologie, soweit wir wissen, noch nicht bekannt.

Im wüstenartigen, kargen Gebiet des Großen Beckens und des Plateaus treffen wir einfachste nomadische Jäger- und Sammlervölker an, die sich der dürftigen Umgebung ohne Großwild angepasst haben. Sie lebten mit steinzeitlicher Technologie in kleinen Horden, ohne Häuptlinge, in simplen Strauchhütten.
   Erwähnt seinen hier wenigstens namentlich die Soshonen; auch sie kamen den Siedlertrecks auf dem Weg zur Westkünste in die Quere und wurden nieder gemacht.
   Auch von dieser menschheitsgeschichtlich interessanten kulturellen Facette Nordamerikas sehen wir in Dahlem leider mangels Platz nichts.

In Prärie und Plains finden wir fortgeschrittene1) Jäger- und Sammler-Völker, die sich dem Biotop der Steppen und den dort lebenden Bisons angepasst haben. Häuser sind weitgehend unbekannt, charakteristisch dafür die der nomadischen Lebensweise angepassten Zelte, die Tipis. Unbekannt ist ebenso Keramik, denn kein Nomade schleppt schwere irdene Gefäße mit sich herum.
   Hier finden sich all die Indianervölker, die die westliche Indianer-und-Cowboy-Mythologie bevölkern, die Cheyenne, Comanchen, Apachen usw. Denn tragischerweise waren diese Indianer den vordrängenden Siedlern im Weg, die ihre Äcker in den fruchtbaren Gebieten der Prärie und der Plains anlegen wollten...
   Interessant ist, dass einige dieser Jäger-und-Sammler-Völker zu dieser Lebensweise wieder zurückfanden, nachdem sie bereits Ackerbauern gewesen waren. Gründe dafür sind, dass sie aus ihren angestammten Gebieten verdrängt wurden und dass durch den weißen Mann das Pferd wieder in Amerika eingeführt wurde (das Pferd war in prähistorischer Zeit von homo sapiens ausgerottet worden). So kommt es auch z.T. zu Mischformen zwischen Jäger- und Ackerbauerntum im Grenzbereich von Waldland und Prärie.

Blackfoot-Indianer, Gemälde, George Catlin, 1854, Ethnologisches Museum Berlin

Mohave-Indianer, Aquarell, Balduin Möllhausen, Ethnologisches Museum Berlin

An der Nordwestküste wohnen zahlreiche, sesshaft gewordene Jäger-und-Sammler-Völker mit einer sehr verwandten Kultur. Man kennt noch keine Töpferei und keinen Ackerbau, wohl aber feste Häuser aus gespaltenen Holzplanken.
   Diese frühe, sesshafte Lebensform bringt die ersten gesellschaftlichen Ungleichheiten hervor, u.a. eine frühe Form von Sklaverei. Auch das Menschenopfer fängt jetzt an: Sklaven wurde mit speziellen Ritualschlägeln, den "Sklaventötern", erschlagen.
    Hierher gehören die Kwakiutl, die Thema in unserem "Aktivity" an der JFK-Schule waren. Wir hatten dort vorgeschlagen, aus der Mythensammlung des berühmten Ethnologen Franz Boas mit seinem halbindianischen Partner George Hunt vorzulesen: mithilfe dieser Texte kann man wunderbar einsteigen in das magische Denken dieser schamanischen Jäger-und-Sammler-Völker, in dem das Thema Tod und Wiedergeburt, v.a. im Rahmen von Initiationsritualen, eine zentrale Rolle spielt. So zählen zu den Geheimbünden der Männer auch die "Kannibalen", die, wenigstens zur Zeit von Boas, ihre Opfer nur mehr oder weniger symbolisch verschlangen und wieder hervorwürgten, was deren Neugeburt als geläutertes, soziales Wesen bedeutet.
    Andere bekannte Völker sind etwa die Tlingit, die Haida, die Nootka und die Bella Coola.

Maske des Vogelmonsters Huxwhukw, Kwakiutl, Calvin Hunt, Ethnologisches Museum Berlin

In Kalifornien leben in einem milden Klima Völker, die sich neben Fischfang auf das Sammeln von Früchten in den üppigen Wäldern der Region spezialisiert haben (Eicheln, Kastanien, Wildgräser). Man spricht von Ernte-Völkern. Es ist dies eine typische Vorstufe in der Entwicklung zum Ackerbau, denn der Mensch, der zunächst die Pflanzen und deren Samen systematisch gesammelt hat, geht dazu über, diese Pflanzen durch Aussaat und Setzen der Knollen selber gezielt anzubauen.
   Etwas bekannt sind hier vielleicht die Pomo, aber ansonsten wimmelt es von Völkern mit unbekannten Namen: in den Western kommen sie eben nicht vor...
   Man kennt auf dieser Kulturstufe zwar schon feste Plankenhäuser, aber noch keine Töpferei. Vielmehr ist die Kunst des Flechtens aufs Höchste verfeinert. Mensch kocht sogar in wasserdichten Körben, indem heiße Kochsteine hineingelegt werden. Das folgende Bild zeigt die elaborierte Flechttechnik.

Flechtarbeiten, Pomo, Ethnologisches Museum Berlin

In den Waldland-Kulturen finden sich frühe sesshafte Ackerbauern. Sie kennen noch keinen Pflug und keine Bewässerung, sondern arbeiten nur mit dem Hackstock auf eher gartenähnlichen Feldern (sog.e Hackbauern im Unterschied zu Pflugbauern), und wohnen in großen Dörfern mit beeindruckenden Langhäusern für ihre Großfamilien, die Clans.
   Ausgeprägt ist die Religion in Form eines ausgefeilten Geheimbundwesens, deren Aufgabe es ist Maskenträger auftreten zu lassen, die sog. "Falschgesichter", die Heil- und Fruchtbarkeitsfunktionen zu erfüllen haben.
   Auch hier ist einem vielleicht der ein oder andere Name untergekommen, denn diese Indianer kamen als erste mit den europäischen Siedlern in Kontakt und waren durch Allianzen in die Kriege des weißen Mannes und in den Pelzhandel verwickelt. Allerdings wurden sie zunehmend lästig bei der Landnahme, so dass man sie entsprechend grausam dezimierte. Ich erwähne nur die Huronen, die Algonkin, die Ottawa, die Cherokee und v.a. die "Six Nations", den mächtigen Irokesen-Bund. Dieser Bund hatte eine frühdemokratische Verfassung, von der man sagt, sie habe die der USA inspiriert.
   Außerdem hatten hier noch die Frauen sehr weitgehend das Sagen, ein Phänomen, das typisch für das frühe Neolithikum gewesen zu sein scheint, ehe der Mann seine patriarchalisch-technokratische Herrschaft über 'Mutter Natur' errichtet. V.a. frau spricht hier gerne von Matriarchat; die Ethnologen sind da vorsichtiger und beschränken sich auf "matrilinear" und "matrifokal" und ähnliche Begriffe.
   Aus den Ackerbau-Kulturen des Waldlandes entwickelten sich auch die historischen Mound-Kulturen, die erste pyramidenartige Erdtempel bauten und eine Brücke zu den indianischen Hochkulturen in Mittel- und Südamerika darstellen (d.h. zu den Städte-, Tempel- und Pyramiden-Bauern mit ihrer Ackerbau- und Schriftkultur).
   
Dieser wichtige Teil der nordamerikanischen Kultur ist leider nicht ausgestellt.
   Die Irokesen waren Gegenstand in unserem "Activity"-Angebot. Wir haben versucht, uns ihre Geschichte und Kultur durch die kritische Lektüre des Romans "The Last of the Mohicans" von James Fenimore Cooper, 1826, und durch kommentierte Sichtung seiner Verfilmung (Michael Mann. 1992) zu erschließen. (Diese Activity hat allerdings nur sporadisch stattgefunden; weder war das Interesse groß, noch das Museum sehr hilfreich...)
   Im Rahmen der allgemeinen Einführung in die Indianerkulturen sind immerhin Masken der Irokesen zu sehen, von denen hier eine wenigstens abgebildet sein soll:

Falschgesicht-Maske, Irokesen

Im sehr ariden Südwesten begegnen wir den Publo-Indianern. Am bekanntesten sind die Hopi und die Zuni.
   Es sind dies fortgeschrittene Ackerbauern auf der Kulturstufe des Neolithikums. Sie bauen typische, bereits wehrhafte Pueblo-Dörfer aus Adobe-Ziegeln, die schon Stadtcharakter haben. Ihr Ackerbau wird mit Bewässerungssystemen betrieben, sie stellen kunstvolle Töpfereien und Webereien her. Erste tempelartige Bauten sind die unterirdischen Kultversammlungsstätten, die Kivas. Komplex ist auch die Religion und Kultpraxis, v.a. der Ahnenglaube und die Ritualpraxis der Geheimbünde, die Tänzer mit elaborierten Masken (die Kachinas [sprich "Katsinas"] und Yeibechais) mit mannigfaltigsten gesellschaftlichen Funktionen auftreten lassen. Diese Maskentänzer sind auch in Form von Puppen präsent (heutzutage Touristen wohlbekannt).
   Die Verarbeitung von Metallen, von Kupfer, ja sogar Eisen, ist - wie auch bei den Waldlandindianern und denen des Nordwestens - bekannt, allerdings nicht das Schmelzen, sondern nur das Kalt- oder Warmschmieden. Da das Schmelzen nicht praktiziert wird und auch kein Zinn vorhanden ist, wird die Bronze nicht entwickelt.
   Am Randes des kulturellen Einflussbereichs der Pueblo-Indianer siedeln sich die Navajo an, die zunächst Jäger-und-Sammler gewesen waren und nun, unter dem Einfluss der Pueblo-Leute, eine sesshafte Kultur entwickelten (wohnen in festen, lehmbeschichteten rundlichen Block- oder Steinhäusern, den sog.n Hogans).
   Sprachlich gehören die Pueblo-Indianer zur großen Sprachfamilie des Aztekischen.
   Im Folgenden eine moderne Fixierung eines der ephemeren Sandbilder, die traditionell zu rituellen Zwecken hergestellt, aber anschließend wieder zerstört wurden.

Modernes Sandbild-Gemälde, Dennis Hataalii, Navajo, Ethnologisches Museum Berlin

   Die nächste kulturelle Stufe ist dann die des Chalkolithikums in Mittelamerika mit seinen frühen, megalithischen Erscheinungsformen bei den Olmeken und den reifen bei den pyramidenbauenden Maya und Azteken.

Fußnoten:

1) Fortgeschritten nicht gegenüber den Eskimo, sondern etwa gegenüber den Jäger-und-Sammler-Völkern Feuerlands.