AFRIKA

Ahnen-Maske der Chokwe aus Angola, 19. Jh., Ethnologisches Museum Dahlem.

Auch nach Afrika kann man sich beamen lassen, vom Ethnologischen Museum Berlin aus! Afrika, das bedeutet hier "Schwarz-Afrika", nicht das "weiße" Afrika des Nordens (Ägypten, Libyen, Tunesien, Algerien, Marokko).

1999 ist eine Ausstellung mit dem Titel "Afrika - Kunst und Kultur" eröffnet worden; 2005 dann wurde daraus "Kunst aus Afrika" - und in der Tat zeigt man die Objekte aus Afrika jetzt mehr als Kunstobjekte, denn als ethnologische Objekte. Zwar sind die Exponate zum großen Teil tatsächlich von atemberaubender künstlerischer Qualität, und das auch für unseren Geschmack! Aber über die Kulturen bzw. Zivilisationen dahinter lernt man nur relativ wenig; ein bisschen über Tanzrituale als Gesamtkunstwerk ja, aber das, was tradtitionell ein ethnologisches Museum tut, nämlich die Kunstproduktion im Zusammenhang mit der alltäglichen Lebenswelt, mit der Technik der Gebrauchsgegenstände, mit dem sozialen und religiösen Leben zu zeigen, das passiert hier kaum mehr (wie noch z.B. vorbildlich in der Papua-Ausstellung "Asmat - Mythos und Kunst im Leben mit den Ahnen" 1996).
   Warum wohl? Dürfen wir jezt aus "political correctness" keine 'naturnahe' Technologie mehr zeigen oder Bewusstseinsform (Magie!) erklären, die den Eindruck von "Primitivität" oder gar "Rückständigkeit" erwecken könnte? Oder will man mit "Kunst" mehr Publikum ins Museum locken, nachdem jetzt die Touristenströme sich v.a. in Richtung Museumsinsel ergießen? Jedenfalls, für diejenigen, die in einem "Völkerkundemuseum" etwas über das Entstehen und die mannigfaltigen Formen, Stärken (!) und Schwächen (!) der menschlichen Kultur und Zivilisation lernen möchen, ist das eher ein Verlust (meine ich)... Aber trotzdem. wer über Afrika staunen will, sollte hingehen! Und für sich selbst tiefer einsteigen!

Auch Afrika bot früher ein breites Spektrum von Kulturen an, die, dem jeweiligen Biotop angepasst, nebeneinander existierten, obwohl man in den verschiedenen Zivilisationen auch Entwicklungsstufen der menschlichen Kultur wiedererkennen kann.

Wir finden die einfachsten Jäger-und-Sammlerinnen1)-Kulturen bei den Buschleuten (Wüste), Hadza (Steppe) oder Pygmäen (Regenwald). Dies ist eine im Prinzip spät-altsteinzeitliche ("jungpaläolithische") Lebensform, auch wenn alle afrikanischen Völker die Eisentechnologie übernommen haben. Wir treffen auf einfache Pflanzervölker mit ihren Dörfern aus leichten Holzhäusern, die mit Grabstöcken im Regenwald Brandrodungsbau v.a. von Knollenfrüchten betreiben, wie in frühen jungsteinzeitlichen Epochen. Es gibt fortgeschrittenere Hack-Bauern in den Savannen (Dogon, Nankanse, ...), die Lehmdörfer bauen und Religionsformen entwickeln, wie die fortgeschritteneren Neolithiker Kleinasiens (Catal Hüyük) oder die Pueblo-Indianer Nordamerikas. Von den Ackerbau-Kulturen mit ihrer Viehzucht spalten sich die spezialisierten Hirten-Nomaden-Völker ab (Masai, Samburu, Tutsi, Fulbe...), die durch die Steppen ziehen und eine kriegerische Kultur entwickeln und, bedingt durch ihre Mobilität, auch Händler-Funktionen übernehmen. So bleibt es nicht aus, dass viele dieser Hirten-Krieger sich als Herren-Völker über Bauern setzen (Tutsis) und Königreiche errichten, die Handwerk und Handel kontrollieren. So entstand seinerzeit auch aus der Fusion des mehr nomadischen Oberägypten und des mehr bäuerlichen Unterägyten das Reich des Alten Ägypten mit seiner weit fortgeschritten, stein-kupfer-zeitlichen Technologie des Pflug- und Bewässerungslandbaus (sog. Thinitenzeit); ähnlich die Entstehung des Aztekenreichs. Die Eliten, allen voran ihr "heiliger König" (Sakralkönigtum, in Ägypten "Pharao" genannt) prunken nun über und über mit edel wirkenden Metallen, wie Messing, Bronze und Gold (Yoruba, Asante, Dahomey, ganz so wie seinerzeit die Herren von Varna am Schwarzen Meer), allerdings erst ab der Zeit, die in Zentraleuropa Mittelalter genannt wird, oft sogar erst ab dem 17. und 18. Jahrhundert im Kontakt mit europäischen (Gold- und Sklaven-)Händlern.
   Die gesamtkulturellen Äußerungsformen der Megalithiker (gewaltige Steinsetzungen), die Schriftkultur der stein-kupfer-zeitlichen Pyramidenbauer, die Zyklopenbauten, Rüstungen und seegängigen Schiffe der bronzezeitlichen Burgherren oder gar die marmorglänzenden, frühdemokratischen Großstädte und Weltreiche der eisenzeitlichen Griechen und Römer mit ihren Tempeln, Parlamenten, Theatern und Philosophenschulen hat in Schwarzafrika keine vorkoloniale Kultur aus sich hervorgebracht oder nachvollzogen2). Die vorkolonialen Kulturen Scharz-Afrikas haben sich nur ein Stück weit auf den - durchaus zweischneidigen - "Prozess der Zivilisation" (Norbert Elias) eingelassen und sind im Vergleich naturnah geblieben. Vielleicht kann die Menschheit, im Zeitalter der ökologischen Krise, gerade deshalb wieder von ihnen lernen!

Über die Kultur der elementaren Jäger-und-Sammlerinnen, die, wie die Wissenschaft uns versichert3), heiter, wohlgenährt und zufrieden war, nicht an der Hyperkomplexität und Krisenanfälligkeit 'höherer' Kulturen zu leiden hatte, und keineswegs von bitterer Not getrieben wurde (wie man meinen möchte, denn wieso hat denn sonst der homo sapiens sich 'weiterentwickelt'??), von dieser im besten Sinne "primitiven" (d.h. auf deutsch: ursprünglichen) Kultur erfahren wir in Dahlem nichts (wenn ich nichts übersehen habe...).

Das erste, was uns historisch begnet, ist die Kultur der Pflanzer (wie etwa die Papua Neu-Guineas oder die der Amazonas-Indianer, nur dass diese z.T. tatsächlich noch ihre steinzeitliche Technologie benutzen, während der Mensch in Afrika die Metallurgie und das Eisen übernommen hat). Die Menschen sind nun sesshaft geworden, leben nicht mehr in kleinen Horden, sondern in großen Klans und Dörfern und häufen Überschüsse an. Auf den Besitz folgt der Neid, und auf diesen der soziale Konflikt, ja der Krieg, und die moralischen und politischen Institutionen, die dies zu regeln versuchen: die Clans werden geführt von den Alten als Trägern der kulturellen Erfahrung und Moral, und jene wiederum repräsentieren die mythischen Ahnen, die, wie die Geister der Natur (Tiere, Pflanzen), als Masken auftreten und verkünden, was jeder zu tun und zu lassen hat! Die Ahnen sind aber oft nicht nur "Kulturheroen", die den Menschen die Tricks der Zivilisation lehren, sondern auch Naturwesen, von denen man sich herleitet und die man schützt, ohne sich als Mensch von der Natur grundsätzlich zu unterscheiden. Ahnenverehrung bedeutet also auch Naturverehrung, Respekt gegenüber Tieren, Pflanzen und Elementen - also das, was wir heute verloren haben...
   Eine solche Ahnenmaske sehen wir oben: wie bei einem Toten sind die Augen geschlossen, und dennoch wird sie von einem Tänzer lebendig gemacht und sprechen werden!
   Man beachte die abstrahierende, geometrisierende Formensprache, durch die Distanz von der unveränderten Natur zu Ausdruck kommt. Gleiches gilt für die dargestellten Schmucknarben, mit denen die natürliche Vorgabe künstlich umgestaltet wird. Nicht umsonst wurden afrikanische Kunstobjekte Vorbilder für die großen Künstler des 20. Jahrhunderts, die Expressionisten (z.B. die Berliner Künstlergruppe "Die Brücke") und die Kubisten (z.B. Picasso), worauf dann die abstrakte Kunst folgte.

Nagelfigur der Yombe, Kongo, Ethnologisches Museum Berlin.

Hier nun etwas, das die Völkerkunde früher ein "Nagel-Fetisch" nannte. Das Wort stammt aus der Sprache der portugiesischen Seefahrer ("feitico") und sollte ein Objekt bezeichnen, das ein 'primitiver Zauberer' für seine Zwecke angefertigt hat und das wegen seiner vermeintlichen Zauberkraft mit Ehrfurcht betrachtet wird4). Damit brachten die Wissenschaftler ihre kritische Distanz gegenüber dem magischen Denken zum Ausdruck, das einem solchen Objekt zugrunde liegt. Heutzutage gilt solche ausdrückliche Skepsis "nicht nur als veraltet, sondern geradezu als anstößig"5). Man spricht jetzt von "Zauberfigur" oder "Kraftobjekt" - allerdings ohne Anführungsstriche...
   Magie, was ist das eigentlich? Man unterscheidet v.a. zwei Formen, die Analogiemagie und die Kontaktmagie. Das erste, der 'Ähnlichkeitszauber' beruht darauf, dass mensch sich vorstellt, eine beabsichtigte Wirkung erreichen zu können, indem er/sie eine ähnliche Handlung vollzieht. Beispiel: man treibt einen Nagel in eine Voodoo-Figur ("Voodoo" heißt eine der afrikanischen Glaubensrichtungen), die einen Feind darstellt, und meint, ihn dadurch quälen oder töten zu können. Bei der Kontaktmagie hofft man, dass die erwünschte Wirkung erreicht wird, indem man einen körperlichen Kontakt zu etwas herstellt, das mit dem erwünschten Resultat zu tun hat. Z.B. bringt man einen König mit der "Kraft" der Ahnen in Berührung, indem man ihn auf einen Königsstuhl (siehe unten) setzt, der die vermeintliche "Energie" der Ahnen und damit der Erde und der Fruchtbarkeit enthält. Oder man verbrennt das Haar eines Feindes und hofft, ihm damit Feuerqualen zuzufügen.
   Man sieht, dieses Denken beruht auf einem freien, sehr 'phantasievollen' Gleiten entlang von gedanklichen Assoziationsketten. Das in der Menschheitsgeschichte später sich entwickelnde rational-empirische Denken erlaubt dagegen nur Gedankenverbindungen, speziell Verknüpfungen von Ursache und Wirkung (Kausalität), die sich regelmäßig in der Erfahrung, z.B. in einem Versuch, nachprüfen lassen (Naturwissenschaft), oder die nach den Regeln der Logik erschlossen werden können. Willkürliche, dem Wunschdenken entspringende Gedankenverbindungen, wie sie v.a. in Träumen vorkommen, werden verboten. Dadurch hat sich die moderne Technik entwickelt, die effektiv, und nicht nur eingebildet, auf die Umwelt Einfluss nimmt. Damit haben wir gravierend - und nicht nur zum Vorteil - die Natur um uns herum verändert. Dieser Disziplin des rational-empirischen Denkens eng verwandt ist das moralische Denken, in dem alle 'unanständigen' Gedanken an Dinge, die "vom Weg der Tugend und Vernunft abweichen", strikt verboten sind und 'verdrängt' werden.
   Durch dieses 'gebahnte Denken' haben wir die freie Phantasie arg beschnitten (immer schon haben "Romantiker" dagegen protestiert) und auch unsere Fähigkeiten zur Selbstwahrnehmung untergraben. Mühsam lernen jetzt die sog.n "Kreativberufler" - und dazu gehören nicht nur die Mitarbeiter der Werbeabteilungen, sondern auch die technischen Produktentwickler und die Finanzstrategen - wieder das freie, das "wilde Denken"6): "Einfälle" sind gefragt und nicht nur Schablonengedanken. "Brain storming", "laterial thinking" und "awareness" heißen dann die neuen "Techniken", mit denen mensch seinen Horizont zu erweitern versucht. Wahrscheinlich gäbe es manches zu lernen von der assoziativen Sensibilität, mit der ein magischer Heiler auf die Ängste und Begehrlichkeiten seiner Patienten reagiert...
   Unsere Nagelfigur nun hat mit beiden Formen von Magie zu tun: in der Höhlung des Bauches wurden "Kraftsubstanzen" aufbewahrt, die der Figur magische 'Wirksamkeit' verleihen sollten: Kontaktmagie. Sie soll zur Abwehr von Gefahren, v.a. von "Hexerei" und zur Bekräftigung von Verträgen und Schwüren dienen. Deshalb die Nägel und scharfen Metallteile, die man der Figur ins 'Fleisch' getrieben hat: es ist eine alte Sitte aus vorschriftlichen Zeiten, bei einem Vertragsschluss den Partnern einen Schmerz zuzufügen - eine Ohrfeige etwa -, damit sie sich an das 'einschneidende Erlebnis' auch lange erinnern. Hier wird der Schmerz analog der stellvertretenden Figur zugefügt. Außerdem: wer solche Schmerzen aushalten kann, ist garantiert "hart im Nehmen", "gut abgehärtet" und kann somit heroisch und "grimmig entschlossen" bösen und verführerischen Kräften entgegentreten... Beides Analogiemagie.

Leopardenhäuptling der Luluwa, Kongo, 19. Jh., Ethnologisches Museum Berlin.

Mit magischem Denken hat auch der vorstehende "Leopardenhäuptling" aus der tropischen Pflanzerkultur der Luluwa (Kongo) zu tun: indem er als Lendenschurz ein Leopardenfell trägt, kann der in das höchste Geheimwissen eines Häuptlings Eingeweihte über die "Kräfte" eines Leoparden verfügen, ja sogar sich "in einen Leoparden verwandeln".
   Er trägt ein Zeremonialschwert und einen Prunkschild. Tropische Pflanzerkulturen bzw. Hackbauern haben in der historischen Entwicklung der zivilisatorischen Techniken noch kein Metall gebraucht (vgl. Papuas, Amazonas-Indianer). Erst die späteren Pflugbauern in den sog.n "frühen Hochkulturen" (z.B. die Pyramidenbauer in Ägypten und Amerika [Maya, Azteken]) verwenden Gold und Kupfer v.a. für Schmuck; die darauffolgenden Kriegerhändler und Burgenbauer entdecken die Bronze, und das Eisen erschließen sich endlich in größerem Umfang die frühdemokratischen Erbauer großer Handwerks- und Handelsstädte... Der Gebrauch des Eisens müßte nach dieser Logik von den späteren eisenzeitlichen Kulturstufen von den im Wesentlichen steinzeitlichen und stein-kupfer-zeitlichen Hackbauern- und Hirten-Kulturen Schwarz-Afrikas übernommen worden sein.
   Wissen sollte man hier auch, dass noch in kolonialen Zeiten im tropischen Westafrika sog.e "Leoparden-Gesellschaften" auftraten, Männerbünde, die Ritualmorde verübten, um 'wirkmächtige' Ritual-'Medizin' u.a. aus menschlicher Körpersubstanz herzustellen ("Borfima"); diese Praktiken wurden durch Gesetze der Kolonialregierung bekämpft. In vielen Kulturen der Welt schlüpft ein Opferer in das Alter Ego eines Raubkatzen-Naguals, um sich leichter in die geforderte zeremonielle Rage und Blutgier versetzen zu können 7). Die Praxis des Menschenopfers zog sich bis in die Königskulturen, wo sie besonders intensiv mit dem Königskult in Verbindung stand8).

Königshocker der Bidjogo, Guinea-Bissao, Ethnologisches Museum Berlin.

 

Während die steinzeitlichen Jäger- und dann Bauernkulturen entweder akephal sind und die Lenkung ihres Sozialwesens einem Ältestenrat überlassen oder einen vergleichsweise schwachen "Häuptling" aufstellen, der oft nur für bestimmte Zwecke gewählt ist (Kriegshäuptling), so bringen nun die chalkolithischen Staatengebilde, in denen sich oft Bauern und Hirten-Nomaden zusammentun, Könige mit großem Machtanspruch hervor, die über größere Territorien herrschen, in denen sie auch überregionalen Handel abwickeln. Diese haben offensichtlich die Aufgabe, die sich nun aus mehreren Interessengruppen zusammensetzenden Gesellschaften mit ihrer "Macht" zusammenzuhalten. Diese Macht ist sowohl religiös-zeremoniell - daher spricht man von Sakralkönigen - als auch militärisch und juristisch.
   Setzt ein afrikanischer König sich auf einen solchen Königsthron, so kommt er mit der Erde und damit dem Reich der Ahnen und der Fruchtbarkeit in magischen Kontakt und wird mit deren "Kraft" "aufgeladen".

Königsbildnis, Benin, Nigeria, Messing, 18. Jh., Ethnologisches Museum Berlin

Hier sehen wir nun einen solchen König aus dem Königreich Benin (Nigeria). Es handelt sich um Oba Ewuakpe, einen König, der kurzzeitig emigrieren musste, weil Forderungen nach zahlreichen Menschenopfern dem Volk zu weit gingen.
   Das Königreich Benin, wie auch die benachbarten Reiche Dahomey und Ashanti, waren in der Zeit vom 15. bis 19. Jahrhundert Zentren des westafrikanischen Handels mit den Europäern. Man exportierte Gold, Sklaven (- die eigenen Leute! -) und Elfenbein und importierte u.a. das Messing für derartige Skulpturen.

Weibliche Figur, Königreich Benin, Nigeria, Messing, 17. - 18. Jh., Ethnologisches Museum Berlin.

Manche Forscher vermuten in der vorstehenden Frauendarstellung das Bildnis der historischen Prinzessin Edeleyo, die ihrem Vater in einer Ausnahmesituation nachfolgen sollte. Sie starb allerdings vorher. In Zukunft wurden Frauen endgültig von der Thronfolge ausgeschlossen. Herrschen ist in Schwarzafrika durchwegs Männersache, die Ausnahme bestätigt die Regel. Allerdings behalten in Kulturen mit starker agrarischer Ausrichtung meist Frauen noch eine große Rolle, da man die Fruchtbarkeit der "Mutter Erde" verehrt. Davon ist z.B. im Königreich der Ashanti (auch Asante) die "ohemmea" geblieben, ein Frau mit großem Prestige, die dem König eher unter- als beigeordnet ist, aber, als Vertreterin der mütterlichen Ahnen, seine Entscheidungen in gewissem Maß kontrolliert und ggf. sogar revidieren kann. Afrika allerdings, zumindest in den der Ethnologie zugänglichen 'späten' Zeiten, ist schon sehr stark 'patriarchalisch' geworden: was anderswo die "Mutter der Tiere" war, ist hier der "Herr der Tiere" bzw. der "Erdherr", den der König vertritt. Nun, ein wenig von der 'alten' Verehrtung der weiblichen Fruchtbarkeit scheint im obigen Bildnis noch mitzuschwingen.

Königlicher Goldschmuck der Asante, Ghana, 20. Jh., Ethnologisches Museum Berlin.

Um ihrer Macht sichtbaren Ausdruck zu verleihen, sind die Könige außerordentlich prunkvoll geschmückt, v.a. mit Gold. Ihr Gesicht allerdings bleibt meist hinter einem Schleier oder Vorhang verborgen, denn ihre "Kraftladung" ist so groß, dass ihr Anblick den Normalsterblichen schaden müßte... (Aus diesem Grund durfte auch den Schrein des alttestamentarsichen Gottes Jahwe kein normaler Mensch berühren, denn dieses würde ihn sofort töten...)

König oder Höfling der Ife-Kultur der Yoruba, 12. - 15. Jh., Nigeria, Terracotta, Ethnologisches Museum Berlin.

Und zum Schluss unserer kleinen 'Afrika-Tour' das grandiose Bildnis eines Königs oder eines Höflings aus der Ife-Kultur der Yoruba (12. - 15. Jahrhundert)! Die naturalistischen Züge des Gesichts erinnern an die ca. 3.000 Jahre frühere Amarna-Kunst aus dem alten Ägypten, als die Machtfülle des Pharao diesen in einsame Höhen gehoben und den aufgeklärten Echnaton von der traditionalistischen Priesterschaft weit entfernt hatte. Ob die Königskulturen Schwarzafrikas "von außen" inspiriert waren, oder ein bodenständiges Produkt waren, darüber streiten sich die Gelehrten9).

Soweit unser kurzer 'Schnupper-Trip' nach Afrika. Vielleicht treffen wir uns mal 'live' in Dahlem?!


Fußnoten:

1) Man spricht neuerdings zu Recht nicht mehr von "Jägern und Sammlern", sondern von "Jägern und Sammlerinnen", weil das Sammeln praktisch ganz den Frauen überlassen bleibt - und das ist wichtiger fürs Überleben, als die Jagd!

2) Nicht in Mode und nicht "politically correct", das so zu sagen, aber (wissenschaftliches) Denken sollte der Objektivität und nicht der Zensur verpflichtet sein!
   Die großartige Kunst der Ife-Kultur der Yoruba (siehe oben), die in ihrem Naturalismus an griechische Skulpturen erinnert, mag man als Widerlegung ins Feld führen. Es scheint jedoch, dass Kulturen, die auf einer bestimmten Kulturstufe verharren, während andere Völker, mit denen man in Kontakt ist, sich weiterentwickeln, besondere, eher untypische Formen des Raffinements hervorbringen, ob man diese nun als "Einfluss" sehen will, oder als Produkt der kulturspezifischen Reifung. Ein anderes Beispiel wäre der ausgefeilte zeremonielle Kupfergebrauch bei der im Wesentlichen mesolithischen Jäger-und-Sammlerinnen-Kultur der Nordwestküsten-Indianer (Kwakiutl etc.).
   S.a. Fußnote 9).

3) z.B.: Henning, Christoph; Müller, Klaus E.; Ritz-Müller, Ute: Soul of Africa, Köln 1999

4) Im weiteren Sinne redet man ja heutzutage von Fetischismus, wenn jemand etwas eigentlich nur wenig Bedeutsames über die Maßen, ja sogar krankhaft verherrlicht und anbetet und andere wichtige Dinge darüberhin aus dem Blick verliert.

5) Soul of Africa, a.a.O., S. 168 - wie hier ein Ethnologe selber schreibt...

6) "Das Wilde Denken" - ein berühmter Titel des Ethnologen Claude Lévy-Strauss, 1962, in dem allerdings umgekehrt gezeigt wird, dass das Denken - und das soziale Leben - der "Wilden" in hohem Maße strukturiert, nämlich durchgehend in paarweisen Gegensätzen aufgebaut ist. Man kann sich allerdings fragen, ob mit diesen symbolischen, oft geradezu manischen Ordnungssystemen nicht eben gerade die Flut der noch "wilden" Assoziationen eingedämmt werden sollte.

7) Davies, Nigel: Opfertod und Menschenopfer, Frankfurt 1983, S. 155 ff.

8) Näheres siehe: Frazer, James George: The Golden Bow, etliche Ausgaben, ein Standard-Werk über Sakralkönigtum und magisches Denken und darüber hinaus ein Klassiker der ethnologischen und der wissenschaftlichen Literatur überhaupt, auch wenn man heutzutage manch kolonialzeitliche Arroganz des Textes rot anstreicht...
   Nach Frazer scheint es ein weitverbreiteter Brauch gewesen zu sein, dass der junge, kraftvolle Heilige König den alten, schwach gewordenen König, der keine 'Heilskraft' mehr ausstrahlen kann, in einem rituellen Kampf zu töten hatte.

9) "In Afrika ... bildeten sich Königtümer als ein Typ sekundärhochkulturlichen Staatswesens aus den archaischen Hochkulturen des westlichen und besonders des östlichen Mittelmeerraumes aus. Über Handelskontakte, teils auch längerfristige Beziehungen, gelangte manche Idee und manches Kulturgut aus der Hochkulturwelt auch in die abgelegenen Gebiete der traditionellen Kulturen weit im Hinterland der Haupthandelsstraßen. Dort war überweigend nur Knollen-, Stauden und Baumpflanzenanbau und damit keinerlei Vorratshaltung im großen Stil mehr möglich. Größere Bevölkerungsdichten auf engem Raum, Städtebau, ein entwickeltes Handwerk und stehende Heere kamen nicht in Betracht. ... es entwickelte sich die Sonderform des 'Sakralkönigtums': Das alte Erdherren- oder Sakralhäuptlingstum bauschte sich zu höfischer Prunk- und Prachtentfaltung auf..." Soul of Africa, a.a.O., S. 82 Dem steht gegenüber z.B.: "Viele Zeitgenossen Frobenius' (des Ausgräbers, H.W.) wollten in ihrer kolonial-ideologischen Voreingenommenheit nicht glauben, dass naturalistische Kunstwerke dieser Qualität ihren Ursprung in Afrika haben sollten, und man versuchte Einflüsse der Kunst des Mittelmeerraums zu konstruieren..." Bolz, Norbert, Hg.: Ethnologisches Museum Berlin, München 2003, S. 118 (kursive Hervorhebung H.W.) S.a. Fußnote 2)